Der Schlangenbeschwörer ist ein klassisches Beispiel des europäischen »Wissens« über Indien. Er war über Jahrhunderte integraler Teil der abendländischen Konstruktion von der Fremdheit Indiens, und es ist kein Wunder, dass dieses Thema als Motiv in der Company-School-Malerei häufig vorkommt. Hier wird der Mann fälschlicher Weise als »Schlangenfänger« bezeichnet, was er jedoch nicht ist. Die Kobra, die sich in einem Korb befindet, wird übrigens nicht durch die Töne des Blasinstruments, magudi, dazu gebracht, sich aufzurichten, sondern durch die Bewegungen des Schaustellers, die von der Schlange als Bedrohung verstanden werden. Ihr Aufrichten ist der Versuch, eine möglichst günstige Abwehrposition einzunehmen. Die Frau hält eine weitere Kobra in den Händen und deren Korb unter dem Arm. Ihr einfacher weißer Sari, der ihre Brust frei lässt, drückt den niederen Status des Schaustellers aus. Seine Kleidung dagegen ist ein farbenprächtiges Kostüm mit allerlei Verzierungen. Auch sein Schmuck ist ausladend, und man kann sich sicher sein, dass kein armer Schlangenbeschwörer solche Kleidung und Schmuck besessen hat. Der Maler verweist also auf eine Welt, wie sie sein sollte, und nicht, wie sie ist. Besonders schön ist der Stoff der Hose, ein typischer chintz von der Koromandelküste, an der die besten Weber Asiens arbeiteten. (Werner Kraus)