Während Innungslade, Schenkkanne und Willkomm eine große ideelle Rolle bei festlichen Anlässen des in Zünften organisierten städtischen Handwerks spielten, diente das vorliegende Stück mehr dem Alltagsgebrauch. Gestaltung und Inschrift des großvolumigen Henkelkruges weisen ihn den Loh- oder auch Rotgerbern zu, die mit dem aus Rinde gewonnenen Gerbstoffen (Lohe) Tierhäute so bearbeiteten, dass diese später zu Riemen- oder Möbelleder, aber auch zu Leder für Sattlereien und für den Wagenbau verarbeitet werden konnten. Die Rudolstädter Zunft der Rotgerber geht bis auf das Jahr 1535 zurück, noch im Jahre 1846 waren hier 14 Gerber nachweisbar und gehörten damit zu den am häufigsten vertretenen Berufsgruppen. Die Wandung des Kruges schmückt eine rocaillenverzierte, von aufsteigenden gekrönten Löwen flankierte Kartusche, in deren Mitte gekreuzte Gerbeisen über einem Holzfaß das Handwerk charakterisieren. Dazu die Inschrift "Rudol=Stadt den 1. No=vem[ber] 1776", die sich auf der Deckelkartusche wiederholt und von einer kindlichen Gestalt gehalten wird. Auf der Wandung sind die Namen der Stifter eingraviert, die sich mit folgender launiger Dichtung verewigt haben: "Die Roth Gerber Die sind frost und hitz gewohnt biß das Stirne schwitzt - Drum wen die Chreutzes hitz doch tränckt denck Gott hats über dich verhänckt". Das Deckelinnere zeigt drei Zinnmarken mit aufsteigenden zweischwänzigen Löwen, dem Stadtwappen Rudolstadts entlehnt, die dem Rudolstädter Zinngießer Johann Christian Dreßler zugeordnet werden können. Der Krug gehört zu einer umfangreichen Teilsammlung, die das Rudolstädter Handwerk vom 17. bis 19. Jahrhundert dokumentiert. Sie geht in ihrem Ursprung auf die Städtische Altertumssammlung zurück, welcher Anfang des 20. Jahrhunderts die Zunftladen, Willkomm-Pokale, Kundschaften und Fahnen gestiftet wurden. [Jens Henkel]