In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich von Frankreich ausgehend die Mode des Rokoko durch. Seiden, Tafte, Brokate und Damaste in Pastelltönen und mit eingewebten Blumen und Rankenornamenten wurden bevorzugt. Den Ausputz der opulenten Roben bildeten Spitzen, Rüschen, Schleifen, Falbeln und Volants. Es handelt sich um eine Contouche1 mit Stecker aus den Jahren um 1750 mit dem dazugehörenden Unterkleid. Das Damenkleid ist aus einem mäßig beschwerten, broschierten Seidengewebe in Leinwandbindung gewebt und von Hand genäht. Dabei wurden in den hautfarbenen Stoff weiße Spitzenmuster, violettschwarze Schleifen und Blütenzweige, hellblau-schwarze Ornamente und Blütensträuße in den Farben karminrot, zinnoberrot, hellrot, mittelgrün, dunkelgrün, hellblau, violett, goldgelb und weiß eingelesen. Das Einlesen des Musters erfolgte bei jedem Schuss mit dem Faden der benötigten Farbe von Hand durch den Weber. Zudem ziehen sich die Musterfäden nicht von einem Ende der Stoffbahn zum anderen, sondern wenden am Ende des jeweiligen Musters um. Diese Technik der Musterbildung nennt man Broschierung, deren Langwierigkeit und Kompliziertheit die außerordentliche Kostbarkeit dieser Stoffe ausmacht. Der Schnitt des Kleides lässt sich im Wesentlichen in Mieder und Rock gliedern. Das Mieder ist mit dem Rock durch eine Watteaufalte2 auf dem Rücken verbunden und sowohl unter dieser Falte als auch im Vorderteil unter dem Stecker zu verschnüren. Die halblangen Ärmel enden in Manschetten aus Mull, die mit einer Silberspitze gesäumt sind. Auf jedem Ärmel sitzt an der Außenseite eine fünfteilige, mit Silberspitze gefasste rote Samtschleife, in deren Mitte ein Zierknopf aus Zinn platziert wurde. Schleifen dieser Art waren sehr beliebt und finden sich auf dem Vorderteil des gesamten Kleides wieder. Der Rock des Kleides ist seitlich am Mieder dicht geriehen, um den für die 30er Jahre des 18. Jahrhunderts typischen, ovalen Reifrock tragen zu können. Der Rock ist vorn offen und endet im hinteren Teil des Kleides fließend mit einer kurzen Schleppe. Eine schlichte Silberborte, zum Teil mit Mull unterlegt, komplettiert sämtliche Kanten des Kleides. Aus einem weißen Leinenbatist entstand das zum Kleid getragene Unterkleid. Darauf findet sich frontal ein weißes Atlasgewebe, auf dem ein ebenfalls weißer Erbstüll aufgebracht wurde. Der auf diesen Tüll genähte rote Samtbesatz erhielt eine Fassung von Silberschnüren und silbernen Pailletten. Das Unterkleid ist als Rock geschnitten und gleich dem schon erwähnten Kleid seitlich geriehen. Vollständigkeit erhält das Unterkleid jedoch erst durch eine verdeckte Tasche, hier konnten die Damen notwendige Utensilien verstauen. Handtaschen gab es noch nicht und selbst der Pompadour3 setzte sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Mode endgültig durch. [Marie-Luise Gothe]
1 Eine Contouche wird als lose fallendes Obergewand mit den für die Zeit charakteristischen Watteaufalten im Rücken bezeichnet.
2 Watteaufalte, von dem französischen Maler Antoine Watteau (1684-1721) oft gezeichnete und gemalte, später nach ihm benannte Faltenpartie, die nur am Rückenansatz eingelegt und festgenäht war und frei zum Boden herabfiel.
3 (a) Nach der Marquise de Pompadour (1721-1764) benannter, mit Blumenmuster bedruckter Seidenstoff.(b) Aus (a) hergestellter Beutel im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts.
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