Dass die Brahmanen als oberste Kaste des indischen Religions- und Sozialsystems eine über alle anderen herausgehobene Stellung einnehmen, hat wahrscheinlich nie der gesellschaftlichen Realität entsprochen. Schon immer gab es Unterschiede unter den Brahmanen. Nach dem Ideal der heiligen Schriften hatten sich die Brahmanen allein um das Studium der Bücher und um die genaue Ausführung der Rituale zu kümmern. Gleichwohl gab es Brahmanen in den unterschiedlichsten Berufen - als Ärzte, Händler, Ackerbauern, Hirten usw. Daneben hatte noch jede Ethnie ihre eigenen Brahmanen, und manchen Kasten gelang es, wieder zu den Brahmanen gezählt zu werden, nachdem ihre Zugehörigkeit in Vergessenheit geraten war. Das System der Brahmanen war also ein durchaus unübersichtliches und konkurrierendes.
Der hier abgebildete Brahmane aus Karnataka (der Gegend um Mysore) erscheint vor uns nicht als ein weiser Gelehrter und Kenner der Schriften, sondern als ein kleiner religiöser Spezialist, der aus seinem Stand Kapital schlagen möchte. Die Bedeutung des Blattes auf seiner Brust konnte noch nicht geklärt werden. (Werner Kraus)
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