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Lindenau-Museum Altenburg Einhundert indische Gouachen um 1800

Einhundert indische Gouachen um 1800

Eine besondere Kostbarkeit im Besitz der historischen Kunstbibliothek des Lindenau-Museums ist ein Album aus der Zeit um 1800 mit hundert originalen indischen Gouachemalereien unter dem Titel "Oriental Costumes Drawn after Nature". Die Malereien stammen aus Tanjore, einem Zentrum südindischer Kunst. Sie sind den sogenannten Company School Paintings zuzuordnen - Bildern, die von indischen Künstlern für den europäischen Markt gemalt wurden. Das zweibändige Album muss als eine der schönsten und umfangreichsten Sammlungen von Bildern aus Tanjore um 1800 angesehen werden. Verglichen mit Alben aus den großen Museen Englands oder Kopenhagens, erweisen sich die Altenburger Blätter als besonders hochkarätiges Material. Die 100 Gouachen sind auf zwei Bände aufgeteilt, die sicher in Europa (wahrscheinlich in England) gebunden worden sind. Die einzelnen Blätter sind auf blasslila Passepartouts aufgeklebt und mit einem goldenen Rand umgeben. Auf den Passepartouts ist in englischer Reinschrift, immer von der gleichen Hand, die Bezeichnung des abgebildeten Gegenstandes geschrieben. Die Bilder wurden auf grundiertem Papier gemalt, das dann auf einen dünnen Karton aufgezogen wurde. Die Größe der einzelnen Bilder unterscheidet sich geringfügig und schwankt leicht um 35 cm × 24,5 cm. Der überwiegende Teil erscheint im Hochformat, aber wenn es das Thema verlangt, wird auch das Querformat angeboten. Ausgeführt sind die Bilder in deckenden Wasserfarben, Gouache genannt, das heißt mit wasserlöslichen Pigmenten, die mit Leim oder Kreide vermischt sind und dadurch ihr charakteristisches deckendes Aussehen erreichen. Es handelt sich hier um eine in Indien gebräuchliche Technik. Die einzelnen Titel der Bilder wurden also nach dem Montieren auf das Passepartou wahrscheinlich in Europa geschrieben. Da die englischen Titel oft orthographische Fehler aufweisen und die Unterschriften nicht immer fachlich korrekt sind, kann man darüber spekulieren, wer sie wohl wo angefertigt hat.
(Werner Kraus)

Im Bestand des Victoria and Albert Museums in London befinden sich ähnliche Gouachen, angefertigt von Company School Malern aus Thanjavur (Tanjore).
Link: http://collections.vam.ac.uk/search/?offset=0&limit=15&narrow=0&q=company+paintings&quality=0&objectnamesearch=&placesearch=Thanjavur&after=&after-adbc=AD&before=&before-adbc=AD&namesearch=&materialsearch=&mnsearch=&locationsearch=

[ 100 Objekte ]

Zwei Pandarams

Das Blatt zeigt zwei Pandarams. Sie tragen safranfarbige dhoti und dreifache tulsi-Ketten um den Hals. In der rechten Hand halten sie Gebetsketten aus tulsi-Holz. Der linke Pandaram trägt um jeden Arm eine ähnliche Kette. Damit soll seine Seniorität dargestellt werden, die der Maler aber auch dadurch unterstreicht, dass er dieser Person eine größere Gestalt zubilligt. Tulsi-Ketten wurden aus dem Holz der Tulasi-Pflanze, des indischen Basilikums (Ocimum tenuiflorum), hergestellt. Tulsi repräsentiert die Gegenwart Vishnus, bzw. seiner Inkarnation Krishna. Der tulsi-Strauch, der vor vielen indischen Hauseingängen gepflanzt wurde, soll göttlichen Schutz garantieren. Er ist die pflanzliche Form Vishnus, und Teile der Pflanze sind gewöhnlich Bestandteil einer vishnuitischen Opfergabe. Die aus dem Holz der Zweige geschnittenen Hals- und Gebetsketten, mala, gelten als segenspendend. Dass sich innerhalb der hinduistischen Gesellschaften Indiens eine sehr große Zahl von Männern aus dem Produktionsprozess herausgenommen und alleine dem Dienst an der Gottheit zur Verfügung gestellt hat, ist für modernes westliches Denken schwer nachzuvollziehen. Es gab aber im Laufe der menschlichen Geschichte eine große Zahl gesellschaftlicher Organisationsschemata, die den kapitalistischen Grundgedanken der Gewinnmaximierung nicht ins Zentrum ihres Handelns stellten. In metaphysisch orientierten Gesellschaften ist die Vorstellung, dass der Erwerb religiöser Verdienste ebenso rational ist, wie der Erwerb weltlicher Güter, weit verbreitet. (Werner Kraus)

Die Tigerjagd

Ein Tiger wurde in ein umzäuntes Gehege getrieben, das von mit Speeren bewaffneten Männern umgeben ist. Drei Männer in einem geschützten Wagen sind offensichtlich darauf aus, das Tier zu erlegen. Tigerjagden und Kämpfe zwischen Tigern und Büffeln waren ein beliebtes Vergnügen in Indien. Gleichzeitig bedienten diese Kämpfe aber auch eine alte Angst, die durch ihr Ausagieren rituell gebannt werden sollte. Es ist der Kampf zwischen Natur und Kultur, zwischen dem Menschen und seiner feindlichen Umwelt, dessen erwünschter Ausgang immer wieder durch die Unterwerfung des Tigers zelebriert werden musste. Diese Kämpfe, die für Nordindien besser als für Südindien beschrieben sind, wurden in besonders ausgefeilter Weise auch auf der durch die indische Kultur beeinflussten Insel Java durchgeführt und dort rampok genannt. (Werner Kraus)

Der Schlangenbeschwörer und seine Frau

Der Schlangenbeschwörer ist ein klassisches Beispiel des europäischen »Wissens« über Indien. Er war über Jahrhunderte integraler Teil der abendländischen Konstruktion von der Fremdheit Indiens, und es ist kein Wunder, dass dieses Thema als Motiv in der Company-School-Malerei häufig vorkommt. Hier wird der Mann fälschlicher Weise als »Schlangenfänger« bezeichnet, was er jedoch nicht ist. Die Kobra, die sich in einem Korb befindet, wird übrigens nicht durch die Töne des Blasinstruments, magudi, dazu gebracht, sich aufzurichten, sondern durch die Bewegungen des Schaustellers, die von der Schlange als Bedrohung verstanden werden. Ihr Aufrichten ist der Versuch, eine möglichst günstige Abwehrposition einzunehmen. Die Frau hält eine weitere Kobra in den Händen und deren Korb unter dem Arm. Ihr einfacher weißer Sari, der ihre Brust frei lässt, drückt den niederen Status des Schaustellers aus. Seine Kleidung dagegen ist ein farbenprächtiges Kostüm mit allerlei Verzierungen. Auch sein Schmuck ist ausladend, und man kann sich sicher sein, dass kein armer Schlangenbeschwörer solche Kleidung und Schmuck besessen hat. Der Maler verweist also auf eine Welt, wie sie sein sollte, und nicht, wie sie ist. Besonders schön ist der Stoff der Hose, ein typischer chintz von der Koromandelküste, an der die besten Weber Asiens arbeiteten. (Werner Kraus)

Ein »Shake« - Bogenschütze - und seine Frau

Die Bedeutung des Wortes »Shake« konnte nicht eruiert werden. Offensichtlich handelt es sich um einen Angehörigen einer indischen Armeeeinheit. Die Kleidung und die Haltung der Frau deuten darauf hin, dass ihr Mann einem höheren Rang angehört. Dies wird durch die Schuhe, die der Mann trägt, bestätigt. Interessant ist die Art der Repräsentation des Ruhebettes, das gleichzeitig an nordindische und an europäische Vorbilder erinnern soll. Wie immer ist auch hier die Darstellung der Frau schematisch ausgeführt. Gleichzeitig erinnert sie aber auch an die Art, wie in der traditionellen Kunst Tanjores Göttinnen dargestellt wurden. (Werner Kraus)

Ashura-Prozession in Tanjore

Das Bild zeigt eine tazia, eine Replik des Grabes des Imam Husain, die am 10. Tag des islamischen Monats Muharram durch die Städte getragen wird. Damit erinnern die Schiiten an den Tod des Enkels des Propheten, Husain, der am 10. Muharram in der Schlacht bei Kerbala den Tod fand. Diese tazias haben vor allem auf dem indischen Subkontinent besonders elaborierte Formen angenommen. Die fünf Kugeln über dem Grabstein erinnern an die Familie des Propheten: Mohammed, Fatima, Ali, Hasan und Husain. Am Ende des Zuges sehen wir drei Männer, die sich im Takt der Trommeln mit der rechten Hand gegen die Brust schlagen und dabei »ya Hasan« rufen. Die Männer auf dem Bild tragen alle die jama, das lange Gewand, das bei den Muslimen rechtsseitig, bei den Hindus aber auf der linken Seite geschlossen wird. Der Ashura-Tag, der Tag der großen Trauer, ist in ganz Indien ein Feiertag, obgleich nur etwa 2 % der indischen Bevölkerung schiitischen Glaubens sind. (Werner Kraus)

Wassertransport - ein Pacauly und seine Frau

Unter pakhāl verstand man im Indien des 18. und 19. Jahrhunderts große Wasserschläuche, die aus der Haut von Ochsen genäht waren und die auch von solchen transportiert wurden. Ein pakhāl fasste bis zu 20 englische Gallonen, etwa 90 l. Da immer zwei pakhāl auf ein Tragtier geladen wurden, wurden also maximal etwa 180 l von einem Tier getragen. Der Mann, der für den Wassertransport verantwortlich war, wurde pakhāli oder pacauly genannt. Pacaulys bedienten in der Trockenzeit bedürftige Gemeinden und wurden auch von der Armee angestellt, um die Truppe mit Wasser zu versorgen. So weiß man, dass nach dem Handbuch der Armee ein Madras-Bataillon zehn Pacaulys anstellen sollte. Der Pacauly auf unserem Bild, der ein Muslim ist, trägt den Einfüllbehälter in seiner Hand, der Stier trägt zwei Wasserschläuche, und die Frau trägt ein gefülltes Gefäß auf dem Kopf. Wie auf fast allen Bildern des Albums sind auch hier alle Akteure von ihrer Aufgabe beseelt und damit zufrieden. (Werner Kraus)

Ein Karagam-Tänzer und seine Frau

Ein pujari, ein Priester der eine puja, eine religiöse Zeremonie durchführt, tanzt mit einem Gefäß, karagam, auf dem Kopf, das mit heiligen Wasser gefüllt ist. Das Gefäß ist mit margosa-Blüten bedeckt. Auch der Tänzer ist mit Blumengirlanden behangen. In der rechten Hand hält er ein Stöckchen, in der linken eine Blume. Auffällig sind die gelb und rot gestreifte Hose und das orange Band, das er um die Hüfte geschlungen hat. Die Frau spielt die Doppeltrommel und begleitet damit den Tanz des Mannes. Der Tanz wurde zu Ehren der Mariamman, der südindischen Muttergöttin, aufgeführt und war wahrscheinlich Teil der großen jährlichen Feiern zu Ehren der Göttin im Panainallur-Tempel in Tanjore. (Werner Kraus)

Unterweisung durch einen Brahmanen

Zur Aufgabe der Brahmanen gehörte es, den Leuten die heiligen Texte des Hinduismus nahe zu bringen. Dazu gab es Lehrgespräche oder Lesungen. Das Bild zeigt eine solche Lesung, zu der sich ein männliches Publikum versammelt hat. Anhand der Kopfbedeckungen und der Hautfarbe wird die ethnische Vielfalt des Publikums dargestellt. Die rechte Hand des Brahmanen zeigt die jnana mudra, die Geste des Lehrens, und auf seinen Füßen ruht eine Opferschale. Der Assistent zu seiner Linken hält das Manuskript, das offensichtlich auf Palmblätter geritzt ist, in seinen Händen und wartet auf das Zeichen des Meisters. Im Vordergrund rechts sitzt ein Trommler, der die Lesung akzentuieren wird, und vor den Zuhörern sitzt ein Diener mit einem Wassergefäß. Dieses Wasser wird durch die Lesung mit magischer Potenz aufgeladen und am Ende an die Zuhörer verteilt. Der Maler hat sich mit Leichtigkeit und Absicht zweier perspektivischer Techniken bedient: der Zentralperspektive, die eine gewisse Verjüngung nach hinten bewirkt, und der asiatischen Bedeutungsperspektive, die das Wichtigste im Bild, hier den Brahmanen und seinen Assistenten, am größten darstellt. (Werner Kraus)

Ein Dubash und seine Frau

Das Wort dubash leitet sich vom Begriff dubāshiyā ab, was so viel wie »zwei Sprachen« bedeutet. Der Dubash war der klassische Vermittler zwischen zwei Kulturen und fand sich im Südindien des 18. Und 19. Jahrhunderts auf jeder Ebene. Ein Dubash konnte ein Hausangestellter sein und dabei die Rolle eines Übersetzers spielen oder war ein Angestellter auf höchster Ebene und dort als Broker, Banker oder politischer Ratgeber tätig. Die East India Company sah zu enge Verbindungen ihrer Angestellten mit einem Dubash mit Sorge, da sich aus solchen Allianzen oft ökonomische Machtkonstellationen entwickelten, die zum Nachteil der Company gerieten. Zwar war es nicht zu verhindern, dass Company-Angestellte - verbotener Weise - auch Privatgeschäfte abwickelten, aber sie sollten sich im Rahmen halten. Der Dubash war in zwei Welten zu Hause. Er arbeitete für die Engländer und oft genug für einheimische Rajas zur gleichen Zeit. Dabei war nie klar, wo seine Loyalität lag - in der Regel wohl dort, wo für ihn der Gewinn am größten war. Ein berühmter südindischer Dubash jener Jahre war Pachaiyappa Mudaliar, der den Nawab von Madras, der East India Company und dem Raja von Tanjore diente. Das vornehme Kleid, jama, des Dubash, sein gestickter Schal, die Edelsteinkette und das goldene Döschen, in dem er wahrscheinlich den Kalk für seinen Betelpfriem aufbewahrte, der ihm von seiner Frau gereicht wird, deuten darauf hin, dass es sich hier um einen Mann von Stand handelt. (Werner Kraus)

Ein muslimischer Schlangenmann und seine Familie

Es handelt sich hier um eine muslimische Gauklerfamilie, die mit Schlangen arbeitet. Der übergroße Mann in der Mitte trägt einen Python um seine Schulter. Die junge Frau, (seine Tochter?), trägt an einer Stange zwei geflochtene Körbe, in denen wahrscheinlich Kobras aufbewahrt werden. Der Junge, der die gleiche Kopfbedeckung wie sein Vater hat, schlägt die mridanga, die fassförmige Trommel. Alle drei tragen Schmuck aus Türkis, einem Stein, der bevorzugt von Muslimen getragen wurde. Einer der vier Ringe Alis, des Schwiegersohns des Propheten, hatte einen Türkis als Schmuckstein. Der Prophet empfahl, feruz (Türkis) und aqiq (Karneol) beim Gebet zu tragen. Beide Steine würden die Standhaftigkeit der Gläubigen stärken. (Werner Kraus)

Ein Rajput und seine Frau

Die Rajputen betrachteten sich als zentrale Vertreter der Hindu Kshatria Varna, der Kriegerkaste, einer der vier Hauptkasten Indiens. Ursprünglich waren sie ein landbesitzender, patrilinearer Klan in der Gegend des heutigen Rajasthan. Als das Moghul-Reich in Nordindien zerfiel, gelang es einer Reihe von Rajputen, sich in einigen Regionen Nordindiens selbstständig zu machen und Kleinreiche aufzubauen. Die meisten dieser »Princely States«, die unter englischer Herrschaft eine gewisse Unabhängigkeit behielten, waren Rajputen-Staaten. Die Briten übernahmen viele nicht-adelige Rajputen in die Kolonialarmee, da diese als ausgezeichnete Soldaten bekannt waren. Die Rajputen waren Hindus und lange Zeit als die Hauptwidersacher der islamischen Expansion in Westindien bekannt. (Werner Kraus)

Ein Götterbild aus dem Srirangam-Tempel

Auf unserem Bild wird ein Götterbild aus dem südindischen Srirangam-Tempel in einer Prozession durch die Stadt getragen. Über eines der Götterbilder aus dem Tempel wird folgende Geschichte erzählt: Das Zentrum des Brahma-Tempels in Srirangam war eine Statue Brahmas (es müsste wahrscheinlich Vishnu heißen), dessen Augen aus zwei großen Diamanten bestanden. Ein desertierter französischer Soldat, der sich als gläubiger Hindu ausgab, stahl zu Beginn des 18. Jahrhunderts in einer dunklen Sturmnacht einen dieser Diamanten. Den zweiten konnte er nicht aus seiner Halterung brechen. Er flüchtete nach Madras, das unter britischer Herrschaft stand, und verkaufte den Diamanten für 2000 Pfund an einen englischen Kapitän. Als dieser den Stein in England anbot, bekam er von einem Diamantenhändler 18 000 Pfund. Die Geschichte erzählt weiter, dass der Diamant anschließend von dem armenischen Kaufman Khojeh Raphael aus Leghorn in Holland erworben wurde, der den Stein an den russischen Fürsten Orloff verkaufte. Orloff, langjähriger Geliebter der Zarin Katharina II., versuchte durch den Diamanten erneut die Huld der Zarin zu erwerben, was nur bedingt gelang. Der Diamant, der seit dieser Zeit »Orloff« heißt, ziert bis heute die Spitze des Zarenzepters. Er wiegt 189.62 Karat und zählt zu den außergewöhnlichsten Diamanten der Welt. Seine Form erinnert stark daran, dass er einst als Auge einer Gottheit in Srirangam gedient haben könnte. (Werner Kraus)

Vor einem Sufi-Schrein

Die Unterschrift unter dem Bild lautet »A Lubby and his Wife at Church«. Mit »Lubby« (Lubbee, Labhaf) bezeichnete man an der Südostküste Indiens die Nachfahren arabischer Einwanderer, die seit vielen Generationen im Land lebten, sich mit einheimischen (Tamil-)Frauen verheiratet und dabei ihre ursprüngliche Sprache, Arabisch, aufgegeben hatten. Die dunkle Gesichtsfarbe des Lubbys auf diesem Blatt ist kein Zufall, sondern soll die starke Vermischung mit den Tamilen andeuten. Lubbys galten als geschäftstüchtig und waren in ihrer Mehrzahl Händler und Geldverleiher - ein Beruf, den sie als Muslime eigentlich gar nicht ausüben durften. Gleichwohl betrachteten sich die Lubbys aufgrund ihrer Abstammung als besonders gute Muslime. Das spirituelle Zentrum der Lubbys in Südindien war und ist das Grab des Heiligen Shahil Hamid Mir Sahib in Nagore, eines Nachfahrens des großen islamischen Heiligen Abd al Qadir al-Jilani (1078-1166). Das hier abgebildete Grabmal hat allerdings mit dem des Mir Sahib in Nagore keine Ähnlichkeit. (Werner Kraus)

Der Tanjore-Swami wird durch die Stadt getragen

Ein weiteres Bild aus dem Shiva-Tempel in Tanjore: Shiva und Parvati sowie ein dienender Dämon, der das göttliche Paar trägt. Das Bild wird auf einer Art Sänfte von zwölf Männern getragen. Der Baldachin der Sänfte ist wieder in der Form eines Tempels gestaltet. Männer mit Fliegenwedeln, Fächern und religiösen Zeichen begleiten die Gruppe. Zwei Gläubige werfen sich vor Shiva in den Staub. Eine nautch, eine Tänzerin, begrüßt den Gott des Tanzes, und eine kleine Gruppe von Maratha-Musikern gibt den Takt dazu an. Offensichtlich zeigt das Blatt eine weitere der vielen religiösen Feierlichkeiten rund um den großen und alten Shiva-Tempel Tanjores, der um 1010 erbaut wurde und noch heute zu den wichtigsten Tempelarchitekturen Südindiens zählt. (Werner Kraus)

Ein Lubby und seine Frau

Bei dem Abgebildeten handelt es sich um einen Angehörigen der Bevölkerungsgruppe der Lubby. Der Begriff Lubby wurde bereits als »Nachfahre arabischer Einwanderer« erklärt. Der Mann trägt das gleiche Hüfttuch wie der Mann auf dem Blatt »Muslimischer Traumdeuter und Wahrsager«. Es scheint sich hier um ein von Muslimen bevorzugtes Kleidungsstück zu handeln. Die Attribute, die er und seine Frau in der Hand halten, sind noch nicht gedeutet. Auffallend ist die sehr helle Hautfarbe des Mannes, die ihn von den Menschen seiner südindischen Heimat unterscheidet. Sie deutet sicher seine arabische Abstammung an. Die Frau ist nach dem gleichen Schema gemalt wie hinduistische Frauen auf anderen Blättern. Die religiöse oder ethnische Besonderheit eines Lubbys wird also nur durch ihn repräsentiert. (Werner Kraus)

Manuquail-Gohaul-Swami

Hier ist Krishna als Kind dargestellt, als Balakrishna, der in unzähligen Variationen und Namen gedacht und dargestellt werden kann. Der junge Krishna wird in der Regel als wildes, unangepasstes Kind gedacht, das jede Gelegenheit nutzte, um seiner Stiefmutter einen Streich zu spielen. Hier wird er beim verbotenen Naschen gezeigt. Die Figur wird auf einer Art Sänfte getragen, über der sich eine gewaltige Schlange zeigt. Krishna hatte es als Kind immer wieder mit Schlangen zu tun. Die Abenteuergeschichten des jungen Krishnas sind der »Bhagavata Purana« und lokalen Traditionen entnommen. Dem Götterbild gehen ein Elefant, eine Gruppe von Männern und ein Brahmane voraus. Alle beteiligten Männer tragen sehr prominent das Vishnu-Zeichen auf ihrer Stirn, durch die Kopfbedeckungen sind die vorangehenden Männer eindeutig als Maratha gekennzeichnet. (Werner Kraus)

Raja Serfoji II. (1798-1832)

Der König von Tanjore, Serfoji, zeigt sich hier im Gewand eines Maratha-Herrschers. Der rote Punkt auf seiner Stirn drückt aus, dass es sich um einen verheirateten Mann handelt. Seine Frau trägt einen Papagei auf der Hand, eine ikonographische Tradition Nordindiens. Der Papagei spielt auf das Epos Tuti-nama (Papageien Buch) an, in dem Ehefrauen zur Treue aufgefordert werden. Der Vogel auf der Hand der Frau symbolisiert also ihre Treue. Der am 24. September 1777 im Hause des Maratha-Königs Chattrapathy Shivaji geborene und am 7. März 1832 verstorbene Serfoji II. war der letzte unabhängige Maharaja von Tanjore. Nachdem sein Onkel Raja Thulaja ihn als Sohn adoptiert hatte, wurde er als Kronprinz betrachtet. Allerdings bemächtigte sich 1782, mit Hilfe der Briten, Amir Singh des Thrones in Tanjore. Da der neue Herrscher die Ausbildung Serfojis verweigerte, brachte ihn der deutsche Missionar Christian Friedrich Schwarz nach Madras, wo er von seinem Kollegen Wilhelm Gericke als Schüler angenommen wurde. Serfoji erwies sich als fleißiger und intelligenter Schüler und erlernte nicht nur Englisch, Dänisch und Deutsch, sondern auch Latein und Griechisch. Hauptaugenmerk wurde auf die naturwissenschaftliche Ausbildung des Fürsten gelegt, aber auch die musische und künstlerische Seite kam nicht zu kurz. Serfoji wurde beispielsweise im Zeichnen und Malen unterwiesen, einer Kunst, in der er einige Fortschritte machte. (Werner Kraus)

Baden und Waschen im Fluss

Der mächtige Kaveri-Fluss, der »Ganges des Südens«, ist die Ursache für die Fruchtbarkeit der Gegend um Tanjore. Er sorgt nicht nur für die Bewässerung der Felder und den Transport der Güter, sondern stellt auch Bade- und Waschplätze zur Verfügung. Dieses kleine, simple Blatt zeigt Leute, die sich im Fluss waschen, andere, die schwimmen, und wieder andere, die zum Wäschewaschen oder zum Fischen gekommen sind. Die architektonische Struktur am Ufer ist in ihren Umrissen mit dem Lineal gezeichnet. In der rechten Nische ist ein Ganesha-Bild zu sehen, einige Frauen beten, andere unterhalten sich. Es ist die friedliche Stimmung des Spätnachmittags, wenn die Arbeit des Tages erledigt ist und man sich auf die Ausspannung vorbereitet. Weshalb der Maler dem Fischer einen Tontopf auf den Kopf gemalt hat, der dort nichts zu suchen hat und kurz davor ist zu fallen, wird er wohl selbst nicht erklären können. Es sieht so aus, als ob dieses Blatt ohne die Mithilfe des Meisterzeichners allein von Assistenten oder durch Kinder hergestellt worden ist. (Werner Kraus)

Ein Maratha-Tänzer

Ein geschmückter und geschminkter Mann in einem langen orange-roten Kleid dreht sich im Tanz. Der rechte Arm ist nach unten gestreckt, Daumen und Zeigefinger berühren sich, der dritte und der vierte Finger sind eingebogen, während der kleine Finger gestreckt bleibt. Der linke Arm ist nach oben gehalten und abgewinkelt. Auch hier berühren sich Daumen und Zeigefinger, alle anderen sind jedoch eingebogen. Außergewöhnlich reich bestickt (oder gewebt) ist das Band, das als Gürtel dient, und auch der Schal, angavastra, der über der linken Schulter des Tänzers hängt, ist an seinen Enden floral verziert. Die Halskette trägt ein goldenes Medaillon, das in der Mitte durch einen Rubin (oder Karneol?) geschmückt ist. Besondere Sorgfalt legte der Maler auf die Darstellung der Turbane, die nach Maratha-Art gebunden sind. Während der des Tänzers golden mit roten Streifen ist, tragen die der beiden Musiker individuelle Muster. Der rechte Trommler bedient zwei Kesselpauken, während der linke eine unter dem Arm geklemmte Trommel schlägt. Anlass, Grund und Bezeichnung des Tanzes sind nicht bekannt. (Werner Kraus)

Der Tempelwagen des Tanjore-Swami wird durch die Stadt gezogen

Das Bild zeigt den ratha, den Prozessionswagen, des Brihadisvara-Tempel, des Shiva-Tempels, in Tanjore. Der heutige Prozessionswagen des Tempels scheint noch viel größer zu sein als der abgebildete. Allein der Durchmesser eines Scheibenrades liegt etwa bei 2,20 m. Die Tempel-rathas, die es hauptsächlich in Südindien und in Orissa gibt, werden als Abbilder der vedischen Götterfahrzeuge verstanden und können zu unglaublicher Größe gesteigert werden. Sie sind in Holz nachgebaute Repliken eines Steintempels, der die Fähigkeit der Bewegung gewinnt. Diese rathas transportieren einmal im Jahr die aus dem Tempel geholte Götterfigur quer durch die Stadt. Auf dieser Reise bestätigt sie - in diesem Fall Shiva - die Schöpfung und wird anschließend wieder für ein Jahr zurück in den steinernen, unbeweglichen Tempel gebracht. Der auf dem Bild dargestellte Wagen transportiert Shiva und seine Gemahlin Parvati, dasjenige Götterbild, das an zentraler Stelle im Brihadisvara-Tempel in Tanjore steht. Der dargestellte ratha wird von etwa 40 Männern an vier Seilen gezogen. In Wirklichkeit können es mehrere Hundert sein, denn das Bewegen des Wagens wird als religiöser Dienst verstanden. Schräggestellte Bretter und Balken am hinteren Ende des Wagens dienen ebenfalls der Fortbewegung. Rathas bewegen sich schwankend, stockend und knirschend durch die Stadt und symbolisieren damit die Zeit der Unordnung, aus der sich die Zeit der Neuschöpfung entwickelt. Die hölzernen Pferde vorne am Wagen erinnern daran, dass der Ursprung der rathas der göttliche Streitwagen war. Am Ende des Wagens sehen wir ein Gestell mit erhitzten Gefäßen, die von den Gläubigen aufgenommen und für eine Zeit als asketische Übung mit bloßen Händen getragen werden. Der Sanskrit-Begriff ratha leitet sich vom indogermanischen Wort rot-o ab, das über das lateinisches rota zum deutschen Rad wurde. (Werner Kraus)

Ein Mann aus Bengalen und seine Frau

Nach der Eroberung Südindiens richtete sich das Interesse der East India Company sehr rasch auf Bengalen. Es war der Norden und Nordosten des Subkontinents, wo die größten landwirtschaftlichen Überschüsse und die zukünftigen Absatzmärkte vermutet wurden. Kalkutta wurde nach Madras zur neuen Metropole, zur Hauptstadt des britischen Indiens. Durch die englische Präsenz und durch die dadurch entstehende Hybridkultur, die zur Modernisierung gewisser Schichten in Bengalen führte, entwickelte sich ein Bildungsvorsprung der Bengalen, der in gewisser Weise bis heute anhält. Es ist deshalb verständlich, dass in einem Album, das auch die unterschiedlichen Völker Indiens zeigen soll, ein Bengale nicht fehlen darf. Hier wird ein Mann mit Schwert und Schild dargestellt, also ein Krieger. Aber genau dafür waren die Leute aus Bengalen nicht bekannt. Eigenartig ist auch die Kleidung, die eine muslimische ist, während der Mann auf der Stirn ein Vishnu-naman trägt. Der Mann aus Bengalen gab dem Künstler offensichtlich Rätsel auf. (Werner Kraus)

Sati - die Witwenselbstverbrennung

Eine weitere Geschichte, die den Europäern das Gruseln lehren sollte und die zur Konstruktion der Alterität der Inder beitrug, war die Witwenverbrennung, der sati. Bei einigen höheren Kasten der Hindus, vor allem in den Kshatria-Kasten (Kriegerkasten), wurde von den Ehefrauen verstorbener Männer erwartet, dass sie diesen freiwillig in den Tod folgten. In der Regel geschah das, indem sich die Witwen auf den brennenden Scheiterhaufen stürzten, auf dem die Leiche ihres Mannes lag. Die hier im Bild dargestellte Version ist eine andere. Die Frau liegt zärtlich neben der Leiche des Mannes auf dem Scheiterhaufen, während die Flammen seitlich hervorschlagen. Eine Gruppe von Männern, Verwandte der Frau, zeigen Gebärden der Trauer und Verzweiflung, während die Frau am linken Bildrand zufrieden auf die noble Tat ihrer Schwester hinweist. Wir kennen Dokumente aus Tanjore aus jener Zeit, die darüber berichten, dass Frauen aus der Herrscherfamilie, deren Männer gestorben waren, den Vorschlag, sich dem Brauch der Selbstverbrennung zu entziehen, empört zurückwiesen und darauf beharrten, ihrem Ehemann in den Tod zu folgen. Das Wort sati leitet sich vom Sanskrit-Wort satja ab und bedeutet »Frau, die den richtigen, mutigen Weg wählt«. In den heiligen Büchern des Hinduismus wird sati nicht erwähnt oder gar vorgeschrieben. Es gibt also keine religiöse Grundlage für diesen Brauch, der in Südindien weitgehend unbekannt war. Angeblich wurde die Witwenselbstverbrennung durch das Volk der Kushan in Indien eingeführt und dort verstärkt durch die Rajputen praktiziert. Im Jahr 1829 wurde die Witwenverbrennung von den Briten verboten, was nicht zur sofortigen Beendigung des sati führte. Man muss aber nicht vermuten, dass sati ein weit verbreiteter Brauch war. Es handelte sich dabei um Ausnahmen - jedoch um besonders spektakuläre und grausame. (Werner Kraus)

Ein Moghul und seine Frau

Der Begriff »Moghul« bezeichnet in der Regel jene nordindische Dynastie, die im 16. und 17. Jahrhundert die führende Macht Indiens war. Die Herrscherkaste dieser Dynastie stammte aus den mongolischen Nachfolgereichen, den Khanaten, die sich nach dem Zerbrechen des mongolischen Zentralstaates in Zentralasien etabliert hatten. Allerdings gab es bald Heiraten mit iranischen, arabischen und afghanischen Eliten, so dass das typische mongolische Aussehen bei den Moghuls in Indien nicht mehr zu finden war. Im 18. Jahrhundert, als die Macht der Moghuls längst vergangen war, konstruierten die Engländer in Indien eine ethnische Einheit mit dem Namen »Mughals«. Darunter verstanden sie eine hochgewachsene, hellhäutige Rasse (besonders die Frauen waren fast weiß), mit ebenen Gesichtszügen und edlem Charakter. Wie man leicht sehen kann, wurden hier die ersten Fundamente einer rassistischen Ideologie gelegt, in dem man Noblesse mit der Helligkeit der Haut und europäischen Gesichtszügen in Verbindung brachte. Unser Bild zeigt einen bärtigen Muslim in einer Phantasieuniform. Auf dem Kopf trägt er einen eigenartigen Hut, unter dem blauen Mantel eine gestreifte, orange Hose. Der Mantel wird von einem aufwendig gestickten Band zusammen gehalten, an dem auch ein Krummsäbel hängt. (Werner Kraus)

Ein Goldschmied und seine Frau

Der Goldschmied gehört einer anderen Kaste an als der Grobschmied. Aber die Technologie und die Arbeitshaltung dieser beiden Berufe unterscheiden sich, wenn man den Bildern aus dem Album trauen kann, nur unwesentlich. Der Goldschmied erscheint nicht wohlhabender als der Grobschmied, auch die Saris der Frauen zeigen keinen großen Unterschied. (Werner Kraus)

Ein Schneider

Ein Schneider mit Schere und Maßband, in kurzen roten Hosen, einem Mantel und einem gelben Schal über der linken Schulter. Selbstbewusst, ja stolz steht er im Mittelpunkt des Bildes. Diese Haltung deutet darauf hin, dass er entweder bei einer europäischen Familie oder am Hofe von Tanjore angestellt war. Auch die Frau trägt einen wesentlich kostbareren Sari als die des Schneiders von der Malabarküste, und dies unterstützt die Vermutung, dass der Schneider eine höhere Stellung bekleidete. Der Maratha-Schneider ist allerdings kein Muslim, sondern ein Hindu und Anhänger des Shiva. Gewisse Berufe übersprangen also religiöse und auch kastenbedingte Schranken, womit wieder einmal deutlich wird, dass die Vorstellung vom absoluten, statischen Gesellschaftssystem Indiens nicht den Tatsachen entspricht. (Werner Kraus)

Singal-Permaul-Swami (Götterbild) aus Tanjore

Die genaue Bedeutung von »Singal Permaul Swami« konnte nicht herausgefunden werden. Peroumal oder Permaul ist einer der Namen Vishnus, und swami nennt man in Südindien ein Götterbild. Es scheint sich hier also um eine Darstellung Vishnus aus einem Tempel in Tanjore zu handeln. Das Bild wird durch die Straßen getragen, zwei identisch gekleidete junge Frauen halten sich an den Händen und schauen sich an, eine Gruppe von Männern betrachtet sich die Szene. (Werner Kraus)

Chobdar oder Stockträger

Einen Chobdar konnten sich nur wirklich bedeutende Persönlichkeiten der East India Company halten. In ihrem Haushalt war er nach dem Jamadar der zweithöchste Bedienstete. Er war Träger und Hüter des Stockes oder Zepters, chob, der in der Öffentlichkeit die Autorität des Besitzers repräsentierte. Der chob war ein etwa 1,50 m langer, nach unten sich konisch verjüngender, silberbeschlagener Stock, dessen oberes Ende oft von einem Knopf oder einer Figur gekrönt war. Der Chobdar hielt sich ständig in der Nähe seines Herrn auf und übermittelte dessen Wünsche an den zuständigen Bediensteten. Ging sein Herr aus, so lief er vor der Sänfte her oder saß neben dem Kutscher auf der Bank. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Chobdars selten und verschwanden später ganz aus dem gesellschaftlichen Leben Indiens. (Werner Kraus)

Ein Brahmane und seine Frau

Der Mann trägt ein weißes Hüfttuch, dhoti, mit rotem Randstreifen. Den Oberkörper bedeckt er mit einem angavastra, einem Schal für Männer, aus dem gleichen Material wie das Hüfttuch. Über seiner linken Schulter liegt ein gelber Schal mit Blumenmuster, auf dem Kopf trägt er eine zweifarbige Mütze. Auf seine Stirn hat er die tripundra, die drei Parallelstreifen der Shiva-Anhänger, gemalt. Über dem mittleren Strich ist zusätzlich eine tilaka, ein Punkt, der die Kaste des Trägers anzeigt, zu sehen. Als Schmuck trägt der Mann eine Kette aus rudraksha-Samen, wie sie hauptsächlich von Anhängern Shivas getragen werden. Rudraksha bedeutet »Tränen Shivas«. Der Baum, botanisch Elaeocarpus ganitrus Roxb, ist Shiva geweiht, und seinen Samen wird eine starke Schutzwirkung gegen alle möglichen magischen Gefahren zugesprochen. Als Attribut hält der Mann zwei Manuskripte, die auf Palmblätter geritzt sind, in der linken Hand. Die rechte Hand zeigt die mudra (Geste) der Unterweisung. Die Frau trägt einen gemusterten Sari und unter ihrem rechten Arm ein gelbes Bündel. Diese klassische Darstellung eines Brahmanen zeigt ihn bei seiner wichtigsten Aufgabe: der Lehre. (Werner Kraus)

Eine Feuertänzerin

Die Tänzerin mit einem Feuergefäß auf dem Kopf und den sie begleitenden Musiker muss man wohl als Anhänger der Mariammam, der Göttin im Panainallur-Tempel in Tanjore, verstehen. Der Mann, der ein großes Tamburin schlägt, hat ein Sträußchen Margosa-Blätter in seinen Turban gesteckt, während die Tänzerin ein ebensolches in der rechten Hand hält. Margosa ist die Pflanze, die der Beschützerin vor den Pocken, der Göttin Mariammam, zugeordnet ist. Früher hing sich jeder Haushalt ein Sträußchen Margosa-Blätter über die Haustür, um die Bewohner vor dieser Krankheit zu schützen. (Werner Kraus)

Ein einheimischer Schreiber und seine Frau

Ein Schreiber, der für die Korrespondenz in den lokalen Sprachen (Tamil, Telugu, Maratha etc.), die alle ihre eigenen Schriftsysteme gebrauchten, zuständig war, nannte man in Südindien Lala. Der auf dem Bild gezeigte Lala ist offensichtlich ein Muslim. Dies wird nicht nur durch seine Kleidung ausgedrückt, sondern auch durch das fehlende tilaka, das gemalte Zeichen auf der Stirn, das anzeigt, welcher Kaste oder hinduistischen Glaubensrichtung ein Mann angehörte. Muslime, Buddhisten und Christen verzichteten auf eine solche Bemalung. Der Mann trägt als Attribut seiner Tätigkeit einen Manuskriptstreifen aus Papier in der rechten Hand und in der linken wahrscheinlich eine Sammlung von Schreibutensilien. Die Frau, die, wie so oft, keinerlei individuelle Züge trägt, hält einen Betelpfriem in der linken Hand. Ihr oranger Rock ist farblich mit dem Rest ihrer Bekleidung abgestimmt, und der Schleier, der nichts verdeckt, muss wohl auch als muslimisches Attribut gelesen werden. (Werner Kraus)

Akrobaten

Das abgebildete Paar gehört wahrscheinlich zu einer Gauklertruppe, die ihre Kunststücke auf einem Markt darbietet. Die Frau zeigt gerade einen Teil ihres akrobatischen Programms, das in dieser Form noch nicht besonders aufregend erscheint. In einer Gesellschaft, deren »Unterhaltungsindustrie« sehr einfach strukturiert war, boten Gaukler, Akrobaten und Artisten Ablenkung, und dies erklärt die hohe Zahl von reisenden Darstellern. (Werner Kraus)

Ein Pandaram und seine Frau

Pandarams gehören keiner bestimmten Kaste an. Es handelt sich bei ihnen um Gläubige, die sich freiwillig für einen gewissen asketischen Lebensstil entschieden haben. In Südindien bezeichnete man mit Pandaram diejenigen Männer, die, obgleich sie keiner Brahmanenkaste angehörten, dennoch gewisse Dienste im Tempel leisteten. Sie rekrutierten sich hauptsächlich aus Sūdra-Kasten, die der shivaistischen Form des Hinduismus angehörten. Sie weihten ihr Leben dem Dienst Shivas, der Frömmigkeit und der Besitzlosigkeit. Pandarams sorgten in Shiva-Tempeln dafür, dass die Götterbilder immer mit frischen Blumenketten geschmückt wurden. Deshalb trägt die Frau auf dem Bild eine solche Kette an der Spitze der Lanze, die wiederum ein Symbol Shivas ist. Der Mann trägt einen Fächer aus Pfauenfedern, morchhal, über der rechten Schulter, und in seiner linken Hand hält er einen reich bestickten Rundfächer. Als Schmuck trägt er große Ohrringe und eine fünffache Kette aus tulsi-Samen. Sein Haar ist nicht geschnitten und verfilzt wie das eines Sadhus, eines religiösen Einsiedlers. Pandarams weihten ihr Leben der Besitzlosigkeit. (Werner Kraus)

Ein Araber und seine Frau

Araber waren seit vielen Jahrhunderten als Händler an indischen Küsten daheim. Das Arabische Meer war ähnlich wie das Mittelmeer ein großer Kommunikationsraum, der die Bewohner seiner Küsten miteinander verband. Da es Hindus aus religiösen Gründen eigentlich verboten war, über das Meer zu fahren (ein Verbot das tausendfach missachtet wurde), war der Seehandel im westlichen Asien fest in arabischen Händen. Die am häufigsten in Indien anzutreffenden Araber stammten aus dem Hadramauth, dem heutigen Jemen. Viele Hadrami ließen sich an diversen islamischen Höfen Indiens nieder und wurden dort religiöse Spezialisten, aber auch weltliche Berater. Durch eine geschickte Heiratspolitik verankerten sie sich gut in ihren Gastvölkern, ohne in der Regel die Verbindung zur alten Heimat aufzugeben. Der hier dargestellte Araber zeichnet sich allein durch seine Kleidung gegenüber einem Hindu aus. Er trägt genähte Hosen und kein Hüfttuch. Allein im Genuss der Wasserpfeife, hookah, ob mit Tabak oder ganja gefüllt, war man sich einig. Die Frau des Arabers ist eindeutig indischer Abstammung. Dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts muslimische Frauen tatsächlich so frivol gekleidet waren, ist unwahrscheinlich. Aber sie wird hier ja in einer häuslichen Situation auf dem Diwan dargestellt. (Werner Kraus)

Ein Grobschmied und seine Frau

Indische Metallbearbeitung ist nicht unbedingt für eine besonders hohe Qualität bekannt. Der Blick auf die primitive Werkstatt des Grobschmiedes, kāmār, aus Südindien lässt wohl auch hier kein besonders gutes Produkt erwarten. Ein Blasebalg wird von einem Helfer betrieben, und der Schmied hockt vor seinem Amboss. Die Kraft, die in einer solchen Körperhaltung aufgebracht werden kann, ist nicht mit der eines stehenden Menschen vergleichbar, die Qualität eines geschmiedeten Stückes hängt aber nicht zuletzt von der Energie ab, mit der der Kohlenstoff herausgeschlagen wird. Schmiede gehörten einer besonderen Kaste an und hatten neben ihrer Arbeit eine Reihe von rituellen Aufgaben. Da sie als Herren des Feuers betrachtet wurden, ging man mit einer gewissen Scheu mit ihnen um. (Werner Kraus)

Ein Maratha-Jetty-Peon

Ähnlich wie der Chobdar, war auch der abgebildete Jetty-Peon dafür zuständig, den Status und Namen seines Herrn anzukündigen, ein Brauch, der an indischen Höfen entwickelt worden war und dann von den neuen Herren der englischen East India Company übernommen wurde. Ich gehe davon aus, dass hier ein Bediensteter des Hauses von Tanjore abgebildet ist, bin aber nicht sicher. Wie so oft auf den Bildern, reicht auch auf diesem Blatt die Frau einen Betelpfriem. (Werner Kraus)

Ein Trepathy Dasari (Bettelmönch) und seine Frau

Der dem Vishnu Kult verpflichtete Bettelmönch trägt das Zeichen seiner Gottheit, die V-förmigen, vertikalen, weiß-rot-weißen Streifen (namam) auf der Stirn. Er bläst eine Schneckenmuschel, sankha, und schlägt mit der linken Hand auf einen Gong, chakram. Er trägt ein langes weißes Kleid. Über jeder Schulter liegt ein farbiges Band. Die braune Kette, die er bei seiner Weihe bekommen hat, besteht aus tulsi-Samen. Das große umgehängte Medaillon, mala, stellt wahrscheinlich die Göttin Anjaneya dar. Seine Frau, ebenfalls in Weiß, hat mehrere Behälter umgehängt, trägt einen Feuerständer, garuda kambam, und schlägt dabei einen kleinen Gong. Das Wort Dasari bedeutet »Diener« und meint Menschen, die sich ganz dem Dienst an der Gottheit hingeben und von Almosen leben. Ihre Aufgabe ist es, die Menschen stets aufs neu an ihre Verantwortung gegenüber Vishnu zu erinnern. Sie blasen auf der Schneckenmuschel, schlagen den Gong und singen harikirtanams, Texte der religiösen Unterweisung. Dasari bilden keine eigene Kaste, sondern stammen aus einer Reihe von Sūdra-Kasten Südindiens. Die zusätzliche Bezeichnung »Trepathy« deutet daraufhin, dass der abgebildete Dasari auf den Weg zum Sri Venkateshvara-Tempel in der Stadt Tirupati unterwegs ist oder dort seinen Dienst tut. (Werner Kraus)

Ein Hindu-Gaukler und seine Frau

Gaukler, Trickkünstler und andere »Zauberer« bevölkerten die Märkte Indiens in großer Zahl. Der hier abgebildete, mit vielen Bändern behangene Gaukler schlägt mit der rechten Hand die Doppeltrommel, während ihm offensichtlich von seiner Frau eine Flasche gereicht wird. Der Inhalt der Flasche erschließt sich aus dem Bild nicht. Gaukler und Akrobaten gehörten in der Regel einer bestimmten Kaste an, in Nordindien war dies die Kaste der Bediyas, die man oft auch die »Zigeuner Indiens« nannte, wobei anzumerken ist, dass die europäischen Roma und Sinti selbst indischen Ursprungs sind. Die Bediyas zogen in Gruppen übers Land und zeigten ihr Können, wo immer es gefragt war. (Werner Kraus)

Ein Schneider der Malabarküste

Schneider, darzi, war ein Beruf, der im hinduistischen Indien wenig bekannt war, da die Bekleidung der Hindus aus gewebten Stoffbahnen bestand, die in der Regel nicht genäht werden mussten. Der Begriff darzi leitet sich vom persischen Wort darz, das so viel wie »Naht« bedeutet, ab. Die Ableitung des Wortes hängt damit zusammen, dass erst mit den Muslimen der Brauch, genähte Kleidung zu tragen, ins Land kam. Deshalb waren im 18. und 19. Jahrhundert die indischen Schneider meist Muslime. Dies ist hier nicht der Fall. Der abgebildete Schneider trägt das Zeichen Vishnus auf der Stirn und wird damit als Hindu identifiziert. Darzi hatte in Südindien eine doppelte Bedeutung. Zum einen wurde damit ein Schneider bezeichnet, zum anderen eine Gruppe von Kasten (Simpi, Rangare, Chippigia, Namdev und andere). Die Angehörigen dieser Kasten waren häufig, aber nicht notwendiger Weise, Schneider. Mit der Ankunft der Europäer stieg die Nachfrage nach Schneidern, und jeder Haushalt, der etwas auf sich hielt, beschäftigte mindestens einen darzi. (Werner Kraus)

Ein Mann aus Gujarat und seine Frau

Der hier abgebildete Mann aus Gujarat, einer islamisch dominierten Region an der nördlichen Westküste Indiens, wird als ein reicher Händler dargestellt. Er entspricht damit dem Image dieser Gegend, die seit alters her stark am regionalen und im Fernhandel beteiligt war. Unser Herr, dessen Stuhl nie fertig gezeichnet wurde und der deshalb in der Luft sitzen muss, handelt offensichtlich mit Edelsteinen. Der unvollendete Stuhl gewährt uns wieder einen Einblick in die technische Seite des Herstellungsprozesses der Bilder, in die Arbeitsteilung: Offensichtlich war der »Stuhlmaler« der Werkstatt beim Abschluss des Bildes nicht greifbar, und später vergaß man den Mangel. Wie auf anderen Bildern zu beobachten ist, wurde die Darstellung eines Menschen auf einem Stuhl sitzend noch nicht beherrscht. Das hing auch damit zusammen, dass der Gebrauch von Stühlen wohl noch sehr ungewöhnlich war. (Werner Kraus)

Ein Gooty-Peon und seine Frau

Gooty ist ein Ort in Zentralindien. Im 19. Jahrhundert befand sich dort ein befestigtes Fort. Der hier abgebildete Peon, den man als Fußsoldaten oder Boten verstehen muss, stammt offensichtlich aus dieser Gegend. Er trägt eine kurze Hose aus reich gemustertem Stoff, eine außergewöhnliche Mütze und einen Krummsäbel. Der rechte Unterarm ist mit einer goldenen Ledermanschette geschmückt, die ihn als Krieger definiert, und genau das drückt auch seine ganze Figur aus. Vornehm ist auch die Frau gekleidet: weißer Rock, oranges Oberteil und durchscheinende Stola. (Werner Kraus)

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