Albrecht Dürers Bildnis Philipp Melanchthons hat als außerordentliches Kunstwerk bis ins 18. Jahrhundert Beachtung gefunden. Im Jahre 1797 beauftragte Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745- 1804) den Vorstand seiner Bibliothek, H. A. Schlichtegroll, mit der Anfertigung des umfassenden Bestandsverzeichnisses der aktuell im Kupferstichkabinett befindlichen Blätter. Die persönliche Vorliebe des Herzogs u. a. für Dürer’sche Grafik führte in den nachfolgenden Jahren zu einer Reihe von gezielten Ankäufen, die noch heute den wichtigsten Bestand des Gothaer Kabinetts ausmachen. Im Rahmen dieser Ankäufe wurde auch die Druckplatte mit dem Porträt Melanchthons erworben, die erst Jahre nach seinem Tode in einem Schreibtischkasten gefunden wurde und seit 1843 zum Bestand des Kupferstichkabinetts gehört. Für Dürer, wie auch für zahlreiche seiner Zeitgenossen, galt Philipp Melanchthon (1497 bis 1560) als »Praeceptor Germaniae« (Lehrer Deutschlands) der Reformation. Da Melanchton klein und schmächtig von Gestalt war - so erscheint er in den Schilderungen Martin Luthers und auf den Bildern Lucas Cranachs d. Ä. -, verzichtet Dürer nicht darauf, neben dem Porträt auch auf die außerordentlichen Geistesgaben des Dargestellten hinzuweisen: 1526/viventis. potvit.dvreris.ora philippi.mentem.non.potvit. pingere. docta:/maus ("Die Züge des Philipp konnte Dürer nach dem Leben zeichnen mit kundiger Hand, den Geist jedoch nicht."). [Bernd Schäfer]
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