Exemplarisch kündet die aquarellierte Federzeichnung von der sich vollziehenden Veränderung des Weltbildes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: einer Zeit, in der zunehmend Glaube durch Vernunft und Gefühl ersetzt wurde und die Beschäftigung mit der Vergangenheit eine immer größere Rolle spielte. Für Gelehrte und Künstler war dabei die Entdeckung der Antike von tiefster Wirkung. Die Arbeit Antonio Zucchis aus dem Jahre 1765 ist dafür beredtes Zeugnis. Auf dem Blatt sind in einem Oval die Reste eines römischen Tempels sowie eines Reiterdenkmals auf hohem Sockel festgehalten. Zwischen beiden Architekturen ist im Hintergrund schemenhaft eine Bogenkonstruktion zu sehen, die den Blick in die Tiefe der Landschaft lenkt. Im Vordergrund sind Figuren dargestellt, die ihren alltäglichen Beschäftigungen nachgehen. Bewußt setzt Zucchi das Treiben der Dargestellten vor die Kulisse antiker Architektur. Diese Gegenüberstellung betont einerseits die Größe römischer Baukunst, andererseits läßt sie deren Vergänglichkeit sinnlich erlebbar werden. Die aquarellierte Federzeichnung entstand wohl während einer Reise durch die Hauptstädte Italiens, die Zucchi 1760 gemeinsam mit dem englischen Architekten Robert Adam (1728-1792) und Charles Louis Clérisseau (1722-1820) unternahm. Zusammen mit einer weiteren aquarellierten Zeichnung ist die Arbeit wahrscheinlich von Ludwig Günther II. von Schwarzburg-Rudolstadt (1708-1790) erworben worden. Nach dem Erscheinen von Johann Joachim Winckelmanns "Geschichte der Kunst des Altertums" (1764) fand die Wiederentdeckung der Antike ihr Echo auf allen Gebieten der bildenden Kunst, der Architektur und des Kunsthandwerks. In dieser Zeit wurden auch am Rudolstädter Hof Sammlungen angelegt, die auf eine intensive Auseinandersetzung mit der Antike schließen lassen. [Lutz Unbehaun]
Signiert und datiert: "Antonio Zucchi 1765".
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