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Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft Astronomische Sammlung am Astrophysikalischen Institut und Univ.-Sternwarte [AST 1813/1]
Meridianstein (Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft / Reinhard E. Schielicke (CC BY-NC-SA)
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Meridianstein

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Beschreibung

Die heutige Jenaer Sternwarte wurde im Jahre 1813 auf Veranlassung Herzog Carl Augusts von Sachsen-Weimar (1757-1828) unter Goethes (1749-1832) Oberaufsicht gegründet, nachdem das Fach Astronomie an der Jenaer Universität seit 1558 vertreten war. Sie entstand als Anbau an das in den Sommermonaten der Jahre 1797 bis 1799 und im März 1801 von Friedrich von Schiller (1759-1805) als Gartenhaus außerhalb der Stadt genutzte Gebäude. Ihre ersten Direktoren waren Karl Dietrich von Münchow (1778-1836), Friedrich Posselt (1794-1823) und Ludwig Schrön (1799-1875). Im April 1812 hatte Goethe die Aufgaben für das neue Institut formuliert: »Es wird dem Astronomen zur Pflicht gemacht, beständig genau Zeit zu halten, alle Sternbedeckungen und sonstigen Himmelsbegebenheiten, welche zur Längenbestimmung dienen können, fleißig zu beobachten und sowohl diese Beobachtungen als alle anderen […] in Manuale einzutragen, welche nebst den Manualen über den Gang der Uhr in Jahrgängen als ein Eigentum der Sternwarte sorgfältig aufbewahrt werden«. Die Zeitbestimmung war also eine der wichtigsten Aufgaben der Astronomen des neuen Instituts, und noch bis Mitte 1920 waren sie verantwortlich für den Zeitdienst der Stadt und für die Regulierung der Uhr am Rathaus, erst danach konnte das »drahtlose Zeitzeichen« aus Nauen empfangen werden. Zur astronomischen Zeitbestimmung benutzt man Mauerquadranten, Mittags-, Durchgangs- bzw. Passage- oder Meridianinstrumente, deren Fernrohr nur um eine Achse drehbar ist, die senkrecht zur optischen Achse liegt und genau waagerecht in Ost-Westrichtung angeordnet ist. Mit einem so gelagerten Fernrohr kann man also nur Sterne nahe der Mittagsebene - des Meridians - beobachten, des Großkreises, der durch Zenit, Nadir und Himmelspol bestimmt ist. Aus der Zeit der Kulmination - des Durchgangs eines Sterns mit bekannten Koordinaten durch den Meridian - ergibt sich die Sternzeit, aus der man die benötigte Uhrzeit berechnen kann.Die Genauigkeit der Zeitbestimmung wird durch Instrumenten- und durch Aufstellungsfehler bestimmt, sie wird eingeschränkt, wenn z.B. Dreh- und optische Achse nicht genau senkrecht aufeinanderstehen oder wenn die Drehachse nicht genau in Ost-Westrichtung verläuft, das Fernrohr also nicht immer genau in den Meridian zeigt. Bei äquatornahen Sternen entsprechen 1 Zeitsekunde 15 Winkelsekunden. Wegen der Lage des Meridians bildeten die Achsen des Schillerschen Gartenhauses und des Sternwartenanbaus einen Winkel von etwa 102°, wie ihn noch heute der Weg zum berühmten Steintisch aufweist, und das Dach besaß einen Spalt über dem Durchgangsinstrument, damit die Sterne beobachtet werden konnten.Karl Dietrich von Münchow berichtete im Sommer 1813: »Der Bau unserer Sternwarte ist nun, was ich bey den jetzigen Zeitumständen kaum zu hoffen wagte, doch noch zur Vollendung gediehen. Unser Herzog […] erließ gleich nach seiner Rückkehr aus den böhmischen Bädern solche Verfügungen, durch die ich in den Stand gesetzt wurde, an dessen Geburtstage [3. September; R.E.S.] unser vierschuhiges Mittagsfernrohr [etwa 120 cm Brennweite; R.E.S.], […] zum ersten Male einzuhängen, und mich abends durch einige voraus berechnete Stern-Culminationen von der guten Stellung der Pfeiler sowohl, als auch von der ziemlich genauen Lage des mittlern Spalt-Durchschnitts […] zu versichern. […] In den bevorstehenden Ferien werde ich mich nun damit beschäftigen, das Passagen-Instrument genau in die Mittags-Ebene zu bringen. Ist dann die Stellung desselben durch eine Meridian-Marke hinlänglich gesichert, dann werde ich Sie [den Direktor der Gothaer Sternwarte; R.E.S.] um Ihre Mitwirkung zur Bestimmung unseres Meridian-Unterschiedes durch Pulver-Signale ersuchen, die vom Ettersberge gegeben werden können«. Der Meridianstein wurde knapp 5 km südlich der Jenaer Sternwarte auf dem Mönchsberg aufgestellt, zu dem im 19. Jahrhundert noch freie Sicht bestand. Der Stein war 45 cm breit und ragte etwa 120 cm aus dem Erdboden, seine Breitenausdehnung erschien in dieser Entfernung unter einem Winkel von etwa 20’’. Von Münchow selbst hat uns keine Beobachtungen hinterlassen - er folgte 1819 einem Ruf an die Universität Bonn -, erst sein Nachfolger Friedrich Posselt nahm in seinen Beobachtungstagebüchern darauf Bezug. So stellte er z.B. dar, wie er am 23. Juli 1820 das Passage-Fernrohr um eine viertel Marke nach Westen korrigiert hat, also um etwa 5’’, das bedeutet eine Abweichung der gemessenen Zeit von wenig mehr als 0,3 Sekunden. Posselt berichtet auf Seite 1 der ersten Nummer der »Astronomischen Nachrichten«, einer noch heute erscheinenden Fachzeitschrift, vom August 1821: »Um jeden Augenblick die Lage des Instruments gegen die Mittagsfläche prüfen zu können, ist ungefähr eine halbe Meile von der Sternwarte eine Meridianmarke errichtet. Es war eine meiner ersten Sorgen, durch Beobachtung von Circumpolarsternen mich von der genauen Stellung der Marke zu überzeugen«. Das auf der Vorderseite der Meridianmarke befindliche Rautenmuster erwähnte Posselt an keiner Stelle, und man darf wohl vermuten, daß es erst später angebracht worden ist. Als erster hatte Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) die Meridianmarke der Königsberger Sternwarte mit einem Rechteckmuster versehen, so konnte er auf einen Blick die Ablage seines Fernrohrs beurteilen, und er gab an, auf eine Genauigkeit von 0,2’’ gekommen zu sein - aber das war etwa zehn Jahre nach der Aufstellung der Jenaer Süd-Marke. Zu der Zeit war in Jena Ludwig Schrön Sternwartendirektor, der sich aber fast ausschließlich mit meteorologischen Messungen befaßte. 1875, Ernst Abbe (1840-1905) war gerade als stiller Gesellschafter Teilhaber der Zeissschen Werkstätte geworden, wurde er nach dem Nutzen eines astronomischen Instituts in Jena gefragt. Er befürwortete dessen Erhalt aufs Dringendste, nicht nur im Dienste der Astronomie, sondern vor allem um der anderen Wissenschaften willen, mit denen sie in Verbindung steht. Schließlich übernahm er das Direktorat der Sternwarte von 1878 bis 1900 und bezog das ehemalige Schillersche Gartenhaus, in dem er mit seiner Familie bis 1886 wohnte. Vor seinem Einzug ließ er die verfallenen Baulichkeiten instandsetzen und auch die Sternwarte modernisieren. Möglicherweise ist bei dieser Gelegenheit auch das Rautenmuster auf dem Meridianstein angebracht worden, um es wenigstens in den ersten Jahren für eine höhere Genauigkeit bei der Ablesung zu nutzen.Als Abbe 1888/89 einen Sternwartenneubau - das heute noch vom Institut genutzte Gebäude mit der Kuppel - errichten und den Anbau an das Gartenhaus abreißen ließ, verlor der Meridianstein endgültig seine Funktion. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts wurde am Mönchsberg ein Steinbruch eingerichtet, und gegen Ende der 1920er Jahre wurde der Stein Teil der Mauer eines Schuppens. Schließlich lagen ehemaliger Steinbruch und Schuppen in einem Schießplatz und waren nicht mehr zugänglich. Mitte der 1980er Jahre ist es dank vielfältiger Anstrengungen gelungen, den Meridianstein aus dem Schuppen auszubauen und im Sternwartengarten aufzustellen, wo er nun - wenn auch seiner Funktion völlig beraubt - einen würdigen Platz erhalten hat. [Dr. Reinhard E. Schielicke]

Material/Technik

Stein

Maße

128 (Höhe über Erdboden) x 45 x 27 cm

Literatur

  • Knopf, Otto (1937): Die Astronomie an der Universität Jena : von der Gründung der Universität im Jahre 1558 bis zur Entpflichtung des Verfassers im Jahre 1927. Jena
  • Schielicke, Reinhard E. (2008): Von Sonnenuhren, Sternwarten und Exoplaneten: Astronomie in Jena. Jena
Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft

Objekt aus: Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena unterhält fünf Museen und Gedenkstätten sowie zahlreiche Sammlungen. Diese spiegeln mehr als 450 Jahre...

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